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Lob der Hausfrau. Text zur Jahresgabe des Museums für Neue Kunst, Freiburg

Blaue Weintrauben auf weißem Tuch. Eine senkrechte Bügelfalte. Eine horizontale Linie, die sich links leicht rundet. Dahinter der Grund, fast so hell, so weiß wie das Tuch. Die subtil versteckte Lichtführung, die zarte Schatten wirft. Die geometrische Mitte genau an der Unterseite der vordersten Traube. Und ein einzelner roter Farbtupfer, mitten hinein in die Rispe gesetzt. Lapidar, präzise, reduziert wie die Fotografie von Chris Popović soll auch die Beschreibung sein. Es ist wie eine Versuchung, kaum mehr Worte darüber zu verlieren. Doch wenn man alles formulierte, was einem durch den Kopf geht, beim Betrachten dieses Arrangements, wo käme man da hin?

Vielleicht zur niederländischen Stilllebenmalerei des 17. Jahrhunderts, zu deren lebensvoller Opulenz und Vergänglichkeitsahnung? Wie reich sind dort die Tische mit Früchten gedeckt! Zu den surrealen Szenerien eines Dali oder Magritte, die neben wirklichkeitsidentischen Träumen immer auch deren Sinnes- und Augentäuschung mit vorführen? Oder, ganz anders, zur konkreten Kunst, in der alle verwendeten bildnerischen Mittel nur sich selbst meinen, Farbe nur Farbe, Fläche nur Fläche, Form nur Form?

Das Werk ist voll solcher kunsthistorischen Bezüge. Zugleich aber ist es auch ganz pur, scheint wie herausgelöst aus allem fachlichen Vergleichsvokabular. Setzt einfach ins Bild, was wir zu kennen meinen, zum Greifen nah und doch rätselhaft in seiner so selbstverständlich wirkenden Erscheinung. Müssen wir noch wissen, dass es ein Bügelbrett ist, auf dem das Tuch, das Geschenk der Schwiegermutter liegt? Dass es diesen zweiten Titel gibt: „Hommage à la belle mère“? Und dass die rote Kolorierung unserer exklusiven Auflagenserie, die Traubenform mal exakt treffend, mal spielerisch überwischend, mit der weichen Schaumstoffspitze eines Lidschatten-Applikators aufgebracht wurde? Eigentlich nicht. Chris Popovićs Fotografie ist sich selbst ja genug. Aber warum sollten wir ihn versäumen, den Blick auf die andere Seite, die seltene Gelegenheit, wo Kunst dem Leben schöne Augen macht.
Dr. Jochen Ludwig

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